Schrift als Mittel zur Verhaltenssteuerung
Für uns als Designer ist das nicht neu: Typografie wirkt. Gern spielen wir mit Worten und Buchstaben und wählen ästhetische Schriftschnitte für unsere Auftragsarbeiten. Doch welchen Einfluss hat die Schriftwahl auf den Betrachter? Kann ein bestimmter Schriftschnitt zur Verkaufsförderung beitragen? Es klingt fast ein bisschen hoch gegriffen, gemessen am Anteil, den eine Schrift gemeinhin innerhalb einer – verkaufsfördernden- Gestaltung wie beispielsweise im Verpackungsdesign einnimmt. Welchen Einfluss hat Schrift? Einen marginalen könnte man vermuten. Denn auf Nachfrage konnte kaum einer meiner Kunden erkennen, dass sich die Schrift für sein neues Corporate Design verändert hatte. Und doch belegen Studien die enorme Beeinflussung durch den gezielten Einsatz der Typografie. Wie kann das sein? Auch hier spielt das Unterbewusstsein oder das »unkritische System« im Gehirn eine entscheidende Rolle.
Verkaufsförderung braucht »gute Laune«
Der »Trick« besteht nämlich genau darin, die Menschen entweder im »Gute-Laune-Modus« anzusprechen oder sie in den prüfenden, kritischen Zustand zu versetzen. Und das geht so:
Entscheiden wir uns innerhalb eines Layouts für eine geschwungene, leicht lesbare, aus organischen Formen bestehende Schrift und setzten sie in gut lesbarer Größe an prominenter Stelle auf unser zu designendes Medium, braucht kein Mensch sich anzustrengen, um den Text zu lesen. Diese Leichtigkeit überträgt sich. Der potentielle Käufer eines Produktes oder einer Dienstleistung bleibt in seinem unbeschwerten Denkmodus. Und in dem ist er deutlich kaufbereiter und oberflächlicher. Die Folge: man schaut nicht so genau hin, denkt nicht so ganz genau darüber nach und lässt sich von der Stimmung und dem »Bauch« leiten. Und zum Kaufen verleiten. Nicht ohne Grund finden wir auf den weit überwiegenden Produkten im Supermarkt Packing-Designs mit weichen, schwingenden Schreibschriften. So einfach kann Verkaufsförderung sein.
Fazit: Wer verkaufen will, muss immer gefällige Schriften nutzen
Und was ist mit den sachlichen Schriften? Kleinem Schriftsatz? Ein absolutes Don´t? Keineswegs. Denn durch den gezielten Einsatz einer kleinen Schriftgröße oder eines schwerer lesbaren Fonts erzeugen wir erhöhte Aufmerksamkeit beim Rezipienten. Die Folge hier ist, dass der Leser sich konzentrieren muss, um die Inhalte zu erfassen, da die Typografie schwerer lesbar ist. Insgesamt aktiviert sich jetzt das »kritische System« im Gehirn. Nun wird auch gleich auf alles ein genaueres Auge geworfen und das Angebot einer Prüfung unterzogen. Ein Verkauf wird hierdurch erschwert. Klingt erstmal negativ. Und doch gibt es auch Gründe, den »Kritiker« im Menschen zu aktivieren. Dann nämlich, wenn wir ernste Inhalte vermitteln wollen. Wenn wir informieren statt unterhalten wollen, wenn wir befähigen statt verkaufen wollen. Dann benötigen wir die volle Aufmerksamkeit der Leser und Betrachter, dann wollen wir, dass sie »mitdenken«. Dann sollten wir daran denken, dass wir als Gestalter unseren Beitrag leisten können und eine zwar lesbare, aber vielleicht eine sachliche und nicht ganz so beschwingte Schrift wählen und diese eher mal einen halben Punkt kleiner setzen.
(* Quelle: Martin Ludwig Hofmann: Neuro Design: Was Design und Marketing von Neurowissenschaft und Psychologie lernen können, Verlag Wilhelm Fink, 02/2019)